Warum die Rede von „Schule im Aufbruch“ ins Leere läuft, Schulentwicklungsprozesse regelmäßig ohne Folgen bleiben und Supervision in der Schule trotzdem notwendig ist.
Der Aufruf zu Veränderung ist im schulischen Kontext die Regel. Schule soll anders werden als sie ist und bleibt doch ungeachtet dessen beharrlich immer dieselbe – allen Moden zum Trotz. Auffällig ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer kein positiv bejahendes Verhältnis zu Schule pflegen: Schulfrust statt Schullust. Viele Schulentwicklungsprozesse tragen mittelfristig zur Erhöhung der Frustration bei. Dr. Ronny Jahn erklärt warum dies so ist und wie Supervision im schulischen Kontext Lust an Schule wecken kann. Supervision baut keine Luftschlösser. Supervision unterstützt Schulentwicklungsprozesse indem sie den Fokus auf die stetig herausfordernde Sache der Schule lenkt. Das Fundament jeder Schulentwicklung bilden eine fundierte pädagogische Haltung, Fachexpertise sowie professionelle Arbeitsorganisation.
„Schule im Aufbruch“ – Illusion mit Demotivationspotential
In schicke Slogans verpackte Aufforderungen zur Veränderung sind Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere Schulleiterinnen und Schulleiter, seit jeher gewohnt. Kaum ein Jahr vergeht, ohne das eine „neue Sau durchs durchs Dorf“ getrieben wird. Seit geraumer Zeit nun ist die Rede von „Schule im Aufbruch“.
Im Unterschied zu organisationalem und pädagogischem Stillstand sowie Isolation und Abschottung verweist der Slogan „Schule im Aufbruch“ auf eine kollektive sowie umfassende Öffnung und Weiterentwicklung in eine schulische Zukunft, die sich von aktueller schulischer Wirklichkeit positiv unterscheidet. In diesem Sinne ist der Slogan ein Versprechen und ein Aufruf zur Arbeit an einer besseren Schule, unter dessen Allgemeinheit unzählige Aktivitäten Platz finden können. Im unbestimmten, allumfassenden und positiv konnotierten Anspruch der eingängigen Wortreihe liegt dabei sowohl ihr Motivationsanspruch als auch ihr Demotivationspotenzial begründet. Schule als Institution und Organisation kann der Sache nach nicht permanent „aufbrechen“, würde dies doch – im Unterschied etwa zu „eine Schule in Gründung“ – nichts anderes als deren dauerhafte Neuerfindung bedeuten. Aktivierend kann die Zustandsbeschreibung „Schule im Aufbruch“ daher nur wirken, wenn deren illusorischer Charakter ausgeblendet wird. Andernfalls wird sich bei schulischen Adressaten angesichts der kontrafaktischen Aussage über schulische Verhältnisse begründete Skepsis einstellen.
„Schule im Aufbruch“ – wir und die anderen
Klar ist auch, dass die Schule als Institution und Organisation sich mit dem Slogan „Schule im Aufbruch“ nicht selbst betiteln kann. Als Verfasser sind lediglich einzelne Akteure und Gruppierungen denkbar, die mit der gegenwärtigen schulischen Verfasstheit wenig identifiziert sind. Aktivisten gleich streben sie nach einem unbestimmten, forcierten Wandel schulischer Gegebenheiten. „Schule im Aufbruch“ grenzt sich so von anderen Akteuren ab und unterstellt zugleich, diese seien nicht im Aufbruch begriffen – alles andere als eine gute Ausgangslage.
Was mag „Schule im Aufbruch“ an Schule nicht?
Die Rede von „Schule im Aufbruch“ ist sprachlich und sachlich unangemessen. Schule kann nicht kollektiv aufbrechen. Wohin auch? In eine Zukunft in der Schule ihrer primären Aufgaben (Selektion nach der Leistungsnorm, Zuweisung gesellschaftlicher Positionen, Wissensvermittlung von und an Heranwachsende sowie rollenorientierte Sozialisation) nicht mehr gerecht werden muss? Der Verdacht drängt sich auf, dass es den Aktivisten von „Schule im Aufbruch“ genau darum geht: Verleugnung und Verdrängung des Kerns schulischer Zuständigkeit. Wer will es ihnen verübeln in Zeiten von Inklusion. In Zeiten in denen der normative Ruf nach Gleichheit um der Gleichheit willen Gebot der Stunde ist. Die Rede von „Schule im Aufbruch“ impliziert damit große Distanz zur Schule als Institution. Zugespitzt „Schule im Aufbruch“ macht auf latenter Ebene deutlich, dass man die Sache der Schule nicht mag.
Schulentwicklungsprozesse – Haus ohne Fundament
Für den Erfolg von Schulentwicklungsprozessen ist eine unelastische schulkritische Haltung nicht förderlich. Vielmehr macht sie die Entwicklung von Parallelwelten wahrscheinlich. Dort die kollektive Phantasie einer Welt in der Schule gleichsam ohne Schule möglich ist. Hier die Realität von Schule als Institution und Organisation die immer auch in staatliche Herrschaftsstrukturen eingebettet ist und mit diesen rechnen muss. Schulentwicklungsprozesse die dies ignorieren, bauen ein Haus ohne Fundament. Das Haus mag zuweilen euphorische, schwindelerregende Höhen erreichen. Der enttäuschte Zusammenbruch aufgrund mangelnder Statik ist indes nur eine Frage der Zeit. Eine Schule, bleibt eine Schule, bleibt eine Schule.
Luftschlösser und der Boden der Realität
Nachhaltige Schulentwicklungsprozesse fußen nicht auf der Idee: Ich baue mir eine Schule, wie sie mir gefällt. Vielmehr beginnen sie mit der Frage, wie eine konkrete Schule XY unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihrem Auftrag (Selektion nach der Leistungsnorm, Zuweisung gesellschaftlicher Positionen, Wissensvermittlung von und an Heranwachsende sowie rollenorientierte Sozialisation) in pädagogisch fachlicher und organisationaler Hinsicht gerecht werden kann.
Schule und Supervision
Supervision baut keine Luftschlösser. Supervision unterstützt Schulentwicklungsprozesse indem sie den Fokus auf die stetig herausfordernde Sache der Schule lenkt. Das Fundament jeder Schulentwicklung bilden eine fundierte pädagogische Haltung (a), Fachlichkeit (b) sowie Arbeitsorganisation (c).
ad a) Professionelle pädagogische Haltung drückt sich in dem Bewusstsein aus, das Schule für Eltern und Kinder strukturell eines der größten Probleme überhaupt darstellt. Schule rührt an existenzielle Fragen, indem sie daran beteiligt ist, berufsbiografische Möglichkeitsräume zu öffnen und zu schließen. An Dramatik gewinnt dies dadurch, dass allen politischen und pädagogischen Bemühungen zum Trotz keine Instrumente und Methoden vorliegen, die Erziehungs-, Unterrichts-, und Bildungsprozesse intentional (evidenzbasiert) steuern könnten. Schule bleibt eine der Sache nach unsichere Veranstaltung, der letztlich nur mit Menschlichkeit, Vertrauen und Zuversicht zu begegnen ist. Damit im Zusammenhang ist eine professionelle pädagogische Haltung geprägt von Einsicht in die Wirkmächtigkeit der eigenen Kindheits- und Schulerfahrung sowie der stetigen Reflexion des Zusammenspiels von eigener Vergangenheit und gegenwärtiger pädagogischer Arbeit.
ad b) Hinreichende pädagogische Fachlichkeit ist geprägt von einer gemeinsamen Sprache und gemeinsamen Gütekriterien, die einen an fachlichen Argumenten orientierten kollegialen Diskurs um Herausforderungen pädagogischen Handelns sowie Kooperation erlauben.
ad c) Professionelle Arbeitsorganisation ist geprägt von verbindlichen Organisationsstrukturen, die es Lehrerinnen und Lehrern erlauben, eine pädagogisch angemessene, rollen- und sachorientierte Haltung aufrechtzuerhalten. Das Einrichten und Verändern von Organisationsstrukturen sowie der stetige Verweis auf deren Verbindlichkeit sind in vielen Schulen indes nicht selbstverständlich. Diesbezüglich liegt eine Herausforderung pädagogischen Handelns in der Aufrechterhaltung der Schule als Organisation.
Schule erhalten, reflektieren und entwickeln
Vor diesem Hintergrund sind Lehrerinnen und Lehrer und insbesondere Schulleiterinnen und Schulleiter aufgefordert, die unauflösbare Spannung zwischen den Anforderungen der Schule als Organisation und der Dynamik der Schule als Institution auszuhalten und zu Gunsten professioneller pädagogischer Ansprüche zu bewältigen. In unaufgeregter Art und Weise unterstützt Supervision in der Schule seit jeher und nachweislich dabei, pädagogisches Handeln zu reflektieren, pädagogische Krisen zu bewältigen sowie angemessene Organisationsstrukturen zu entwickeln und zu etablieren.
Wie sich Supervision in der Schule konkret gestaltet erfahren Sie hier: Angebote für Schulen. Für Auskünfte und Fragen steht Ihnen unser Berater Dr. Ronny Jahn gerne zur Verfügung.